BGH zur Schweigepflicht von Berufsgeheimnisträgern

Neue Entscheidung des BGH zur Entscheidung über die Schweigepflicht von Berufsgeheimnisträgern

Mit Beschluss vom 27. Januar 2021 (StB 43/20) hat der Bundesgerichtshof eine wichtige strafprozessuale Zweifelsfrage zur Entbindung von der Schweigepflicht entschieden. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, wer zur Entbindung von einer beruflichen Schweigepflicht zuständig ist, wenn Auftraggeber des Geheimnisträgers eine juristische Person ist. Diese so unscheinbar anmutende Frage hat praktisch durchaus erhebliche Relevanz. Dies ist immer dann der Fall, wenn die das Unternehmen vertretenen Personen wechseln. Bislang war umstritten, ob es neben der Entbindung durch die neu zuständigen Organmitglieder auch der Entbindung durch die ehemals zuständigen Bedarf. Der BGH hat die Frage dahingehend beantwortet, dass regelmäßig eine Entbindung durch die aktuellen Vertretungsberechtigten genügt.

Prozessuale Ausgangssituation: Ordnungsgeld durch Untersuchungsausschuss

Die Entscheidung  vom 27. Januar 2021 (StB 43/20) erging im Wege der Beschwerde gegen einen von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss verhängten Ordnungsgeldbeschluss. Der dort als Zeuge geladene Wirtschaftsprüfer hatte trotz Entbindung durch den Insolvenzverwalter der auftraggebenden Gesellschaft vor dem Untersuchung Ausschuss das Zeugnis verweigert. Dies erfolgt unter Hinweis auf seine berufliche Verschwiegenheitspflicht nach §53 StPO; es bedürfe auch der Entbindung von der Schweigepflicht durch die ehemaligen Organmitglieder. Auch insoweit gebe es ein tatsächlich bestehendes Vertrauensverhältnis.

Zuständigkeit für die Entbindungsentscheidung

Der BGH beantwortet die Ausgangsfrage in aller Klarheit: Auftraggeber des Berufsgeheimnisträgers sei die juristische Person. Die allgemeine berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht schütze grundsätzlich auch nur den Auftraggeber (Rn. 18). Zu den für die juristische Person Handelnden bestehe kein eigenes Vertrauensverhältnis, auch wenn diese  tatsächlich im Rahmen der Beratung für die juristische Person gehandelt hätten (Rn. 22). Immerhin sei die juristische Person ein eigenständiges Rechtssubjekt, deren Interessen von denen der für sie handelnden Organmitglieder durchaus abweichen können. Im Zweifel seien diese Interessen des Auftraggebers vorrangig.

Die hiergegen vorgebrachten Argumente hält der Bundesgerichtshof nicht für überzeugend. Insbesondere gebe es keinen Grundsatz, nach welchem rechtlich schützenswerte Vertrauensverhältnisse ausschließlich zwischen natürlichen Personen begründet werden könnten.

Zuständigkeit des Insolvenzverwalters

Eine Besonderheit des zugrunde liegenden Verfahrens lag darin, dass die Auftraggeberin sich inzwischen im Insolvenzverfahren befand. Nach § 80 InsO oblag die Entscheidung über die Entbindung des Berufsgeheimnisträgers dem Insolvenzverwalter. Dieser hatte den Zeugen von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden.

Zeugenvernehmung von Berufsgeheimnisträgern?

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung Klarheit für die Praxis geschaffen. Eine kleine Einschränkung scheint der Beschluss dennoch zu enthalten. So führt der BGH aus, Abweichendes komme in spezifisch gelagerten Sonderkonstellation in Betracht, in denen der Dritte seinerseits in einer individuellen Vertrauensbeziehung zu dem Berufs- geheimnisträger stehe. Ob und inwieweit dies praktisch von Bedeutung sein wird, bleibt abzuwarten.

Beispiel: Insolvenzstrafverfahren

Welche Bedeutung Berufsgeheimnisträger als Zeugen im Strafverfahren gewinnen können, sei anhand eines insolvenzstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens illustriert.  Hat beispielsweise vor der angeblich verspäteten Insolvenzantragstellung eine Sanierungsberatung durch Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer stattgefunden, könnten die Ermittlungsbehörden sich für die Inhalte dieser Beratung durchaus interessieren. Ein sodann zuständiger Insolvenzverwalter wird die Entbindung von der Schweigepflicht auch vielfach erklären.

Interessenlage?

Zu bedenken ist insoweit, dass die Interessen des Insolvenzverwalters und der vormaligen Organe – gerade vor dem Hintergrund eines laufenden Ermittlungsverfahrens – durchaus gegenläufig sein können. Entsprechende Konstellation sind dann denkbar, wenn es etwa im Zuge staatsanwaltschaftliche Ermittlungen auch zu personellen Wechseln im Unternehmen kommt.

Ausblick

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs löst eine lange umstrittene Streitfrage. Ob die Bedeutung beruflicher Verschwiegenheitspflichten zutreffend erfasst und diese hinreichend schützt, kann bezweifelt werden. Die Praxis von Ermittlungsbehörden und Gerichten wird sich hieran orientieren.

Die Rolle eines Zeugen kann – aus ganz unterschiedlichen rechtlichen Gründen – für den ehemaligen Berater durchaus problematisch sein. In jedem Fall sollte frühzeitig ein Zeugenbeistand eingeschaltet werden.