§ 266a StGB – das Veruntreuen und Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen („Schwarzarbeit“) – gewinnt aktuell immer weiter an Bedeutung. Dies auch, weil der Verfolgungs- und Kontrolldruck weiter wächst – vor allem durch die zunehmende Digitalisierung (etwa von Kassen- und Zugangssystemen) und damit mögliche digitale Nachweisführung.
Einige zentrale Inhalte der etwa zweistündigen Fortbildungsveranstaltung habe ich im Folgenden näher zusammengefasst:
Zahlen und Fakten zur Schwarzarbeit
Der sogenannten Schwarzarbeit kommt unverändert hohes Gewicht zu. Ihr Umfang lässt sich naturgemäß schwer bestimmen. Insgesamt wird die Schattenwirtschaft auf 11 % des Bruttoinlandsproduktes geschätzt. Der Schwarzarbeit soll hierbei ein Anteil von etwa zwei Drittel zukommen. Bei aller Unsicherheit würde dies jedenfalls einen dreistelligen Milliardenbetrag ausmachen.
Die Behörden des Zolls, insbesondere die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, hat im Jahr 2023 ca. 100.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet; die Schadenssumme soll insoweit ca. 615 Millionen € betragen. Diese Zahlen verdeutlichen zum einen die Dimension des Problems. Zum anderen lassen sie erahnen, wie groß das Dunkelfeld der strafrechtlichen Verfolgung sein muss.
Nach jüngsten Ankündigungen des Bundesfinanzministers soll die Verfolgung der Schwarzarbeit in Zukunft weiter intensiviert werden.
Wesentliche aktuelle Problembereiche
Der Vertrag konzentriert sich auf wesentliche Problembereiche der Vorschrift des §266a StGB. Der Blickwinkel ist dabei genuin strafrechtlich: Im Zentrum steht aktuelle Rechtsprechung zur Vorschrift des § 266a StGB. Verfahrensrechtliche und sozialrechtliche Fragen werden bewusst ausgeklammert. Als zentrale Themenbereiche wurden folgende Aspekte identifiziert:
- Begriff des Arbeitgebers
- Schadensbestimmung und -berechnung
- Einziehungsfragen
- Umgrenzung der Tat/prozessuale Tat
- Sonstiges: Haftung; Verjährung; Unmöglichkeit
- Fallbeispiel: Fahrdienstleister
Eigenschaft als Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB
Die Strafvorschrift des § 266a StGB richtet sich an den Arbeitgeber. Entsprechend kommt der Feststellung des Arbeitgebers zentrale Bedeutung zu. Die strafrechtliche Rechtsprechung definiert dabei wie folgt:
„Arbeitgeber i. S. des § 266a StGB ist derjenige, dem gegenüber der Arbeitnehmer zur Erbringung von Arbeitsleistungen gegen Entgelt verpflichtet ist und zu dem er in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, das sich vor allem durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers ausdrückt. Das Bestehen eines solchen Beschäftigungsverhältnisses zum Arbeitgeber bestimmt sich dabei nach den tatsächlichen, in eine Gesamtbetrachtung einzustellenden Gegebenheiten.“
BGH, Urt. v. 14.6.2023 – 1 StR 74/22
Die Vorschrift des § 266a StGB ist ein echtes Sonderdelikt.
Die Bestimmung des Arbeitgebers ist im Einzelfall mit Unsicherheiten behaftet. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht über unklare Strukturen und unklar verteilte Verantwortlichkeiten zu befinden hat. Auch die Bestimmung des faktisch als Arbeitgeber Verantwortlichen bereitet immer wieder Schwierigkeiten. Beispielhaft wird dies anhand der Entscheidung BGH, Urt. v. 14.6.2023 – 1 StR 74/22 erörtert.
Zugleich wird auf die Entscheidung BGH, Beschluss vom 23.03.2022 – 1 StR 511/21 hingewiesen, in welcher die Einordnung eines Beschuldigten als faktischen Geschäftsführer als lückenhaft bemängelt worden ist. Sodann wird mehr auf die Rechtsprechung des BGH zum sogenannten Kolonnenführer als Arbeitgeber eingegangen (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013, 1 StR 626/12).
Schadensfeststellung und -berechnung
Ein weiterer, in der Praxis ganz wesentlicher Gesichtspunkt ist die Schadensfeststellung und Schadensberechnung. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2023 – 1 StR 126/23, hebt hierbei die Bedeutung der sogenannten Nettolohnfiktion hervor.
BGH, Beschluss vom 25.11.2021 – 5 StR 211/20 macht die nachfolgend zitierten grundlegenden Vorgaben für eine Schätzung:
„Das Tatgericht ist gehalten, eine Schätzungsmethode zu wählen, die dem Ziel, der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird. Bei der Auswahl kommt ihm ein Beurteilungsspielraum zu. Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob das Tatgericht nachvollziehbar dargelegt hat, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist.
BGH , Beschl. v. 7.2.2023 – 2 StR 67/22 betrifft die Orientierung an einem Nettoumsatz, während sich BGH, Beschluss vom 11.01.2022 – 2 StR 460/20 mit den Voraussetzungen einer Schätzung befasst. Hervorgehoben wird schließlich eine Entscheidung des OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17. 7. 2008 – 1 Ws 131/08, welche die Voraussetzungen einer Eröffnungsentscheidung – gerade mit Blick auf die Schadensbestimmung – näher erörtert.
Einziehungsfragen
Zentrale Bedeutung haben darüber hinaus gerade im Bereich des § 266a StGB Einziehungsfragen. Die Schadenssumme ist oft hoch, so dass erhebliche finanzielle Konsequenzen – für eine beteiligte Gesellschaft bzw. die handelnden Personen – drohen.
BGH, Urteil vom 6. September 2023 – 1 StR 57/23 betrifft dabei die Frage, welche Vermögenswerte „für die Tat“ im Sinne der Einziehungsvorschriften gewährt werden. Insbesondere befasst sich diese mit der Bestimmung des inkriminierten Anteils. BGH, Beschluss vom 25.11.2021 – 5 StR 211/20 betrifft die Frage der Abschöpfung ersparter Aufwendungen. Eine neuere Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 26. Mai 2023 – 4 Ws 31/23 – 161 AR 59/23) thematisiert die Frage der Einziehung nach einem Vergleichsschluss mit Sozialversicherungsträgern.
Umgrenzung der Tat
Auch die Umgrenzung der Tat erweist sich in der Praxis immer wieder als problematisch. Dies stellt oft eine Schwachstelle der Ermittlungen dar. Insbesondere an die Anklageschrift sind insoweit strenge Anforderungen zu stellen. BGH, Beschluss vom 21.01.2025 – 1 StR 456/24 gibt dabei erneut die Orientierung am jeweiligen Beitragsmonat vor, während BGH, Beschluss vom 18.09.2024 – 1 StR 329/24 sich spezifisch den Anforderungen an den Anklagesatz widmet.
Schließlich wird die Entscheidung BGH, Urteil vom 9.1.2018 – 1 StR 370/17 näher vorgestellt, welche Anforderungen die Darstellung der Schadensberechnung im Urteil – insbesondere mit Blick auf die revisionsgerichtliche Nachvollziehbarkeit – enthält.
Sonstige Einzelfragen
Sodann sind abschließend einige wichtige Einzelfragen thematisiert worden. Dies betrifft zum einen die seit einigen Jahren geänderte Rechtsprechung zur Verjährung.
Sodann wird auf die gerade Insolvenzstrafrecht ich bedeutsame Thematik der Unmöglichkeit angesichts fehlender finanzieller Mittel hingewiesen. Die in diesem Zusammenhang bemühte Rechtsfigur der omissio libera in causa wird kritisch beleuchtet. Sodann werden Haftungsfragen kurz thematisiert.
Fallbeispiel: Fahrdienstleister
Als abschließendes Fallbeispiel sind Ermittlungsverfahren nach § 266a StGB im Bereich der Fahrtendienstleister erörtert worden. Diese werden in jüngerer Zeit intensiv geführt. Gerade da die Buchungen vielfach über Apps geführt werden, meinen die Ermittlungsbehörden oft, über eine klare Datengrundlage zu verfügen. Hieran anknüpfend werden vermeintliche Arbeitszeiten rekonstruiert, deren Grundlage sodann die Schadensbestimmung und -berechnung ist. Die Ermittlungsbehörden verlieren dabei völlig aus dem Blick, dass die Beweisführung für das Gericht nachvollziehbar sein muss. Dies gilt insbesondere für die Datengrundlage. Die Schlussfolgerungen des Zeugen zwischen den einzelnen konkret nachvollziehbar sein. Die vorliegenden Daten euch dabei oft eine Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit vor, die in den tatsächlich nicht zukommt.
Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie zu einzelnen Fragen Gesprächsbedarf haben.