Problemaufriss: Strafbarkeit des Glückspiel und Einziehung
Die Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels ist genauso wie die Beteiligung an einem solchen (§ 285 StGB) strafbar.
Zu einem erheblichen Teil hat sich das unerlaubte Glücksspiel ins Internet verlagert. Es finden sich zahllose Anbieter, die insbesondere auch auf deutsche Spieler abzielen. Erlaubt ist ein Glücksspiel im Prinzip nur dann, wenn eine innerstaatliche Erlaubnis vorliegt. Insofern kann auf die sogenannte „Whitelist“ der Glücksspielbehörden verwiesen werden.
Typischer Ablauf: Verdachtsanzeige nach dem Geldwäsche-Gesetz
Oft werden die Ermittlungsbehörden im Zuge von Geldwäscheverdachtsanzeigen auf entsprechende Sachverhalte aufmerksam. Denn Ein- und Auszahlungen erfolgen nicht selten über Krypto-Währungen und unterschiedliche Zahlungsdienstleister, deren Verbindung zum Glücksspiel den Banken oft bekannt ist. Wird in diesem Zuge eine Verdachtsanzeige nach dem Geldwäschegesetz erstattet, kann dies zu einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an einem unerlaubten Glücksspiel nach § 285 StGB führen.
Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen
Die Entscheidung des OLG Bremen vom 12. September 2025 (1 ORs 14/25) betraf einen Spielhallenbetreiber. Dieser hatte in einem Nebenraum sogenannte „Fun-Game-Automaten“ aufgestellt, die nach den zugrunde liegenden glücksspielrechtlichen Regeln nicht länger aufgestellt und betrieben werden durften. Im angeklagten Zeitraum betrugen die Einnahmen 440.000 €, während der Reinertrag – bestehend aus den Einnahmen abzüglich der Gewinnauszahlungen – mindestens 150.000 € betrug.
Der Sachverhalt ist hier leicht vereinfacht dargestellt. Das Amtsgericht hatte eine Einziehung in Höhe von 440.000 € angeordnet, während das Landgericht die Einziehung lediglich in Höhe des Reinertrages angenommen hatte.
Dem hält das Oberlandesgericht unter anderem entgegen, erlangt im Sinne der Einziehungsvorschriften sei der Gesamtbetrag der Einzahlungen. Hiermit sei eine Verfügungsbefugnis begründet, die durch die nachträgliche Auszahlung unberührt bleibe.
So führt der Senat folgendes aus:
„Durch Einzahlung des Spieleinsatzes […] ist nach den Kriterien aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Angeklagten dieser Vermögenswert im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB aus der Tat erlangt worden, da er über diesen Einsatz die tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben konnte. Den Spielern war ab dem Moment der Einzahlung des Spieleinsatzes ein Zugriff hierauf ohne Mitwirkung des Angeklagten bzw. der Tresenkraft nicht mehr möglich;“
Und weiter:
„Die Erstreckung der Einziehung nach § 73 S. 1 StGB auf den Gesamtbetrag der von den Spielern eingezahlten Einsätze entspricht zudem dem Gedanken der vollständigen Abschöpfung der vom Täter erlangten Vermögenswerte nach dem Grundgedanken des Bruttoprinzips; unter Berücksichtigung des Präventionszwecks der Einziehung ist diese gerade nicht auf die Abschöpfung des Netto-Tatgewinns des Täters zu beschränken, da ansonsten die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos wäre“
Die Auszahlungen seien auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Aufwendungen abziehbar. Denn insofern handele es sich um bewusst in die Begehung von Straftaten investierte Beträge.
Entscheidung des BayObLG vom 3. Februar 2025
Dies fügt sich etwa auch in die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, Beschluss vom 3. Februar 2025 , Az: 206 StRR 308/243) ( 2). Auch dieses hatte die Einziehung in einer vergleichbaren Fallgestaltung ohne weiteres auf den Gesamtbetrag der Einzahlungen erstreckt, und dies mit dem Bruttoprinzip begründet:
„Ob und in welchem zeitlichen Zusammenhang dieser beim Angeklagten eingetretene Vermögenszuwachs durch eine Ausschüttung von Spielgewinnen wieder gemindert wurde, bleibt wegen des geltenden Bruttoprinzips unberücksichtigt. Würde man lediglich den Saldo aus Leistung und Gegenleistung, also den dem Angeklagten verbleibenden Gewinn, für die Einziehung ansetzen (so Odenthal, NStZ 2006, 14, 16; ihm ohne Begründung folgend Fischer/Lutz a.a.O., § 73 Rn. 21), liefe das entgegen dem gesetzgeberischen Willen auf die Anwendung des Nettoprinzips hinaus.“
Präzisere Bestimmung des Erlangten?
Differenzierter plädiert demgegenüber Bittmann, NZWiSt 2025, 362 für eine tatbestandsspezifische Auslegung des Erlangten im Rahmen des unerlaubten Glücksspiels. Gerade bei einer unmittelbaren Auszahlung der Gewinne – mithin einem untrennbaren Zusammenhang von Ein- und Auszahlung – fehle es an der Verfügungsmacht. Insbesondere sei der tatbestandsspezifische Vorsatz aber auf die Erlangung der Gewinne, nicht auch Einzahlungen als solche, gerichtet. Nur diese könnten daher als spezifisch Erlangtes im Sinne des Einziehungsrechts gelten.
Kritik: wirtschaftlich irreale Beträge!
Dieser Kritik ist zuzustimmen.
Die genannten Entscheidungen liegen zwar in der Logik des Einziehungsrechts und fügen sich in die Grundtendenz der Rechtsprechung. Jedoch lässt sich erst mit Abschluss des jeweiligen Spielvorgangs das jeweils Erlangte bestimmen. Der Hinweis auf das Vollstreckungsverfahren dient bestenfalls als verfassungsrechtliches Feigenblatt.
Die Rechtsprechung verweigert sich unter Berufung auf pauschale, kriminalpolitisch gefärbte Schlagworte einer präzisen Bestimmung des Erlangten. Gerade das Abstellen auf einen angeblich rein tatsächlichen Vorgang führt zu wirtschaftlich völlig irrealen Ergebnissen – mit verheerender finanzieller Konsequenz für die Betroffenen.
In dem genannten Verfahren des OLG Bremen betrug die Geldstrafe 170 Tagessätze zu 20 Euro. Allein die Differenz zwischen Reingewinn und Einzahlungen betrug jedoch ca. 290.000 € – dies entspricht in etwa dem 85-fachen der Geldstrafe, wohlgemerkt die „Abschöpfung“ eines wirtschaftlich irrealen „Gewinns“. Die Einziehungsentscheidung wird genau das, was sie angeblich nicht sein soll – eine Nebenstrafe. Die Feinheiten des Einziehungsrechts haben für die Betroffenen existenzielle Wirkung.
In vielen Fällen dürften zudem die Einziehungsentscheidung ohne wirtschaftlichen Wert für die Staatskasse sein.
Auswirkungen auf § 285 StGB: Einziehung bei Beteiligung am Glücksspiel
Dies wirft die Frage auf, wie sich die genannte Rechtsprechung auf Beschuldigte auswirkt, denen eine Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel nach § 285 StGB vorgeworfen wird. Wird einer Privatperson die Beteiligung an einem unerlaubten Glücksspiel (etwa im Internet) vorgeworfen, können regelmäßig Ein- und Auszahlungen anhand von Kontoauszügen, Gewinnmitteilungen oder Aufstellungen von Zahlungsdienstleistern präzise festgestellt werden. Unterliegen in diesem Fall sämtliche Auszahlungen, welche auf dem Konto eingehen, der Einziehung? Oder können die korrespondierenden Einzahlungen gegengerechnet werden?
Abschöpfung nur der Auszahlungen?
Gerade bei Beschuldigten, die über einen längeren Zeitraum und gegebenenfalls bei verschiedenen Anbietern spielen, ergeben sich regelmäßig Vielzahl vom Ein- und Auszahlungen. Dies kann hunderte Transaktionen erfassen.
Unterm Strich steht für die allermeisten Spieler oft ein massiver Verlust.
Mit der oben bezeichneten Rechtsprechung ließe es sich aber begründen, eine Abschöpfung in Höhe der eingehenden Zahlungen anzuordnen. Auch hier ließe sich das Bruttoprinzip ohne weiteres anführen, um eine umfassende „Abschöpfung“ ohne Rücksicht auf jeden wirtschaftlichen Vorteil anzuordnen. Der Argumentation zur Abzugsfähigkeit von Einzahlungen ließe sich ohne weiteres begegnen, es handele sich um bewusst in verbotene Geschäfte investierte Gelder. Selbst demjenigen, der massive Verluste erlitten hat, könnte eine hohe Einziehungsentscheidung drohen.
Dies wird zwar dem Wesen der Beteiligten Glücksspiel nicht gerecht. Selbstverständlich stehen Gewinn und Verlust in untrennbaren Zusammenhang zueinander, insbesondere auch von der Intention des Tatbestandes her.
Dies treibt nur auf die Spitze, welche irrealen Konsequenzen die schlichte Berufung auf das Bruttoprinzip haben kann. Dass das Vollstreckungsverfahren ein – wie auch immer geartetes – hinreichendes Korrektiv sein kann, ist in hohem Maße zweifelhaft.