Untreue durch Vergütungsentscheidungen

Eine neuere Entscheidung des BGH thematisiert Vorstandsvergütungen unter dem Gesichtspunkt der Untreue.

Die Untreue nach § 266 StGB stellt einen zentralen Tatbestand des Wirtschaftsstrafrechts dar. Immer wieder werden entsprechende Vorwürfe gegen Unternehmensverantwortliche erhoben. Die Konstellationen sind dabei vielfältig: beanstandet werden etwa Ausgaben, welche angeblich in keinem hinreichenden Zusammenhang zum Unternehmenszweck stehen, wirtschaftlich risikoreiche Kreditgewährungen oder vermeintlich überteuerte Beschaffungen.

Persönliche Bereicherung spielt wohlgemerkt für den Tatbestand der Untreue keine Rolle. Liegt sie vor, wird sie vielfach als strafschärfendes Moment gewichtet. Jenseits einfacher Fälle eines bloßen Griffs in die Kasse handelt sich bei der Untreue jedoch um einen hochgradig umstrittenen, in seinen Voraussetzung komplexen Tatbestand. Dies hat der BGH in einer jüngeren Entscheidung (BGH, Urteil vom 24. November 2020 – 5 StR 553/19) zur Vergütungsgewährung einer kassenärztlichen Vereinigung erneut verdeutlicht.

Untreue in Bezug auf Risikoentscheidungen

Gerade bei riskanten unternehmerischen Entscheidungen wird immer wieder die Frage einer Strafbarkeit wegen Untreue aufgeworfen. Die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Fehlschlagens mit erheblichen finanziellen Auswirkung ist diesen schließlich immanent. Die Grenzziehung zu einem strafbaren Handeln ist insofern äußerst diffizil.

Ermessensspielraum der Entscheidungsträger

Selbstverständlich muss Entscheidungsträgern ein durchaus weiter Ermessensspielraum zugebilligt werden. Dies setzt allerdings voraus, das Folgen- und Risikoabschätzung nach pflichtgemäßem Ermessen durchgeführt werden. Auch die Beachtung vorgeschriebener Verfahren ist insofern durchaus von Belang. Unzulässig sind wirtschaftliche Entscheidungen, die von vornherein keinen wirtschaftlichen Nutzen für das betroffene Unternehmen haben können. Dies ist etwa im Fall einer persönlichen Bereicherung offensichtlich. Die Beurteilung eines intendierten wirtschaftlichen Nutzens ist aber nicht immer einfach.

Entscheidung des BGH zur Vorstandsvergütung

Die Entscheidung des BGH betraf Vorstände einer kassenärztlichen Vereinigung. Diesen wurde zu Last gelegt, sie hätten die Auszahlung ihnen nicht zustehender Übergangsgelder veranlasst. Dem lag – vereinfacht – Folgendes zugrunde: die mit den Vorständen bestehenden Dienstverträge sahen Übergangsgelder bei Ausscheiden aus der Vorstandstätigkeit vor. Im Januar 2011 unterzeichneten die Vorstände eine Änderungsvereinbarung, nach welcher das Übergangsgeld mit Ende der aktuellen Vertragslaufzeit ausgezahlt werde. Für die Vereinigung zeichnete der Vorsitzende der Vertreterversammlung. Auf ein Ausscheiden aus dem Vorstandsamt kam es nach der Neuregleung nicht mehr an. Dies geschah vor dem Hintergrund der Diskussion darum, ob Übergangsgelder abgeschafft werden sollten. Die Übergangsgelder wurden daraufhin zeitnah ausgezahlt. Die Vertreterversammlung der Vereinigung, welchen den Vorgängen bislang nicht beteiligt war, genehmigte das Vorgehen nachträglich.

Mangelhafte Auslegung der Vereinbarungen

Das Landgericht hatte die Angeklagten freigesprochen. Diesen Freispruch hat der BGH aufgehoben: Der BGH beanstandet insbesondere die Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarung. Im Kern sei durch die Vertragsänderung eine Verpflichtung der Vereinigung begründet worden, welche zuvor nicht bestanden habe. Zu diesem Zeitpunkt sei die vertraglich vorgesehene Leistung der einzelnen Vorstandsmitglieder bereits nahezu vollständig erbracht gewesen.

Kein zukünftiger Nutzen durch die Zahlungen?

Eine relevanten zukunftsbezogene Nutzen für die kassenärztliche Vereinigung habe die Zahlung daher nicht besessen. Ein solcher ergebe sich auch nicht daraus, dass die Zahlung dem Zweck diente, die Vorstandsmitglieder zu einer Fortsetzung ihrer Tätigkeit zu bewegen.

Jedenfalls sei dies unzureichend festgestellt. Zum einen sei der Vorsitzende der Vertreterversammlung für die Entscheidung nicht zuständig gewesen; diese hätte vielmehr von der Versammlung als solche getroffen werden müssen. Zum anderen sei nicht festgestellt, dass die Zahlung zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Vorstandes erforderlich gewesen sein. Insofern betont der Senat Folgendes (BGH, a.a.O., Rn. 46):

Einem Träger der öffentlichen Verwaltung ist es im Unterschied zu einem privaten Unternehmer nicht freigestellt, Vergütungen in beliebiger Höhe zu gewähren (BSGE 55, 277). Für den Bereich der Krankenkassen hat das Bundessozialgericht entschieden, dass diese ihren Vorstandsmitgliedern nur Gehälter in notwendiger Höhe anbieten dürfen. Notwendig sei das Gehalt, welches nach den Bedingungen des Markts angeboten werden müsse, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten (BSGE 125, 207).

Die Genehmigung durch die Vertreterversammlung sei schließlich auch unbeachtlich, da diese keine zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel genehmigen könne.

Gefahr der Überspannung des § 266 StGB

Die Entscheidung verdeutlicht lehrreich, welche Anforderung unter dem Blickwinkel des Untreuetatbestands gestellt werden können. Die Begründung des BGH überrascht dabei durchaus. So drängt sich – jenseits der Details, auf die hier nicht der eingegangen werden kann – ein Zukunftsbezug der Zahlungen durchaus auf. Schließlich sollte die Fortsetzung der Vorstandstätigkeit ermöglicht werden.

Einhaltung von Verfahrensregelungen

Insofern legt der Bundesgerichtshof ein besonderes Augenmerk auf Verfahrensregelungen. So wird insbesondere betont, der Vorsitzende der Vertreterversammlung sei für den Abschluss der Änderungsvereinbarung nicht zuständig gewesen. Offenbar beanstandet der Senat auch die zeitlichen Abläufe, nach welchen vor einer Entscheidung der Vertreterversammlung bereits Fakten geschaffen worden waren. Dem komme auch in subjektiver Hinsicht hohe Bedeutung zu, da sich hieraus ein Wissen um die Pflichtwidrigkeit des eigenen Handelns ergeben könne.

Wirtschaftlich erwünschtes Risiko?

Die Entscheidung verdeutlicht anschaulich das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlich motiviertem Handeln und den formalen Anforderungen des § 266 StGB. Sie verdeutlicht zugleich aber auch die Gefahr, die in einer Überspannung des Tatbestands liegen kann.