Insolvenzverschleppung durch Geschäftsführer

Insolvenzverschleppung durch Geschäftsführer stellt ein relevantes Risiko dar. Daher lohnt ein genauer Blick auf die Voraussetzungen der Strafbarkeit und besondere Risiken.

Die Stellung als Geschäftsführer ist gerade in der Krise des Unternehmens riskant. Dies gilt in vielfältiger Hinsicht: zivilrechtlich drohen Haftungsansprüche, in strafrechtlicher Hinsicht nicht selten Ermittlungen wegen Insolvenzstraftaten. Zentral ist dabei wohl der Vorwurf der Insolvenzverschleppung. Aber gerade im wirtschaftlichen Niedergang des Unternehmens drohen auch weitere Vorwürfe, etwa sogenannter Bankrottdelikte. Das Wissen um strafrechtliche Risiken ist dabei teilweise nicht ausgeprägt. Die Staatsanwaltschaften haben jedoch vielfach einen genauen Blick auf Insolvenzverfahren und prüfen die Insolvenzakten ggf. auf das Vorliegen von Straftaten, insbesondere das Vorliegen einer Insolvenzverschleppung durch Geschäftsführer. Daher sollen einige grundlegende Risiken der Insolvenzverschleppung näher vorgestellt werden.

Insolvenzverschleppung: Was ist das?

Das Gesetz kennt den Begriff der Insolvenzverschleppung durch Geschäftsführer nicht. Die Strafbarkeit der verspäteten oder unrichtigen Stellung des Insolvenzantrages ist in § 15a Abs. 4 InsO geregelt. Dieser lautet wie folgt:

„(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

  1. nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
  2. nicht richtig stellt.“

 Bezüglich der zugrunde liegenden Pflichtenstellung und der Voraussetzungen verweist die Strafvorschrift auf die zugrunde liegenden insolvenzrechtlichen Regeln des Absatzes 1. Dieser lautet wiederum in seinen zentralen ersten Sätzen:

„Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen.“

Der praktisch bedeutsamste Fall ist der Geschäftsführer einer GmbH, der bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes zur Stellung des Antrages verpflichtet ist. Auf diese Konstellation konzentrieren sich entsprechend auch die weiteren Ausführungen.

Strafrechtliche Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung durch Geschäftsführer

Angesichts der praktischen Bedeutung der Insolvenzverschleppung durch Geschäftsführer lohnt ein Blick auf die präzisen Voraussetzungen der Strafvorschrift. Als verpflichtete Personen nennt das Gesetz „die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler“. Wer Mitglied des Vertretungsorgans ist, ergibt sich aus dem Gesellschaftsrecht.

Pflichtenstellung des Geschäftsführers einer GmbH

Jede GmbH muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben (§ 6 Abs. 1 GmbHG). Jeder Geschäftsführer ist einzeln zur Stellung des Antrages verpflichtet. Auch ein Geschäftsführer, der nur formal bestellt ist („Strohmann“), ohne die Geschicke der Gesellschaft im Innenverhältnis zu bestimmen, hat die Insolvenzantragspflicht zu erfüllen.

Faktische Geschäftsführer

Die Insolvenzantragspflicht trifft darüber hinaus auch denjenigen, welcher ohne formal zum Geschäftsführer bestellt zu sein, die Geschicke der Gesellschaft faktisch lenkt. Die Bestimmung dieses sogenannten faktischen Geschäftsführers kann im Einzelfall schwierig sein. Die Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrages wird jedoch auch insofern bejaht. Diese Ausdehnung der Pflichtenstellung ist zwar kritisch zu sehen, entspricht aber seit langem herrschender Rechtsprechung.

Sonstige Verpflichtete

§ 15 Abs. 3 InsO sieht für führungslose Gesellschaft besondere Regelungen vor. Bei der GmbH kann auch jeder Gesellschafter der führungslosen Gesellschaft zur Stellung des Insolvenzantrages verpflichtet sein.

Pflichtenstellung bei anderen Gesellschaften

Die Insolvenzantragspflicht des §15a InsO erstreckt sich zunächst auf alle juristischen Person. Die Antragspflicht besteht aber darüber hinaus auch bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern kein Gesellschafter eine natürliche Person ist. Eine Antragspflicht kommt grundsätzlich auch bei ausländischen Gesellschaften, welche ihren Sitz im Inland haben, in Betracht. Allein die Rechtsform befreit nicht von der Antragspflicht.

Insolvenzantragspflicht

Die Insolvenzantragspflicht des § 15 Abs. 1 InsO knüpft an das Vorliegen von Insolvenzgründen an. Dies sind zum ersten die Zahlungsunfähigkeit und zum zweiten die Überschuldung.

Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähig ist die Gesellschaft dann, wenn sie ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann. § 17 Abs. 2 InsO fasst dies wie folgt zusammen:

„Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“

Bestehen nur unbedeutende und untergeordnete Liquiditätslücken, reicht dies zur Begründung der Zahlungsunfähigkeit noch nicht aus. Eine Unterdeckung von 10 % wird jedoch bereits als erheblich beurteilt. Auch eine bloße Zahlungsstockung reicht nicht aus. Einer betroffenen Gesellschaft ist Gelegenheit zu geben, sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums liquide Mittel – vornehmlich durch Kreditaufnahme – zu beschaffen.

Im Strafverfahren sind für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und insbesondere ihres genauen Zeitpunkt sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen maßgeblich. Hierunter versteht man insbesondere Mahnungen von Gläubigern, Vollstreckungsversuche, Hinweise auf offene Sozialversicherungsbeiträge.

Insolvenzgrund der Überschuldung

Der Insolvenzgrund der Überschuldung ist in § 19 InsO geregelt; die Vorschrift lautet in Abs. 2 wie folgt:

„(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

Gerade die rückwirkende Feststellung der Überschuldung bereitet in der Praxis gelegentlich Schwierigkeiten. Insbesondere wird sich häufig ein präziser Zeitpunkt nicht eindeutig bestimmen lassen. Auch die Frage, ob eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist, ist im Einzelfall schwer zu klären. Immerhin handelt es sich im maßgeblichen Zeitpunkt um eine Prognoseentscheidung, ob das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens wahrscheinlich war. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass ein Geschäftsführer sich ohne weiteres auch in strafrechtlicher Hinsicht auf eine nicht näher begründete Prognose verlassen dürfte. Im Gegenteil setzt eine solche Prognose belastbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, die Fortführung des Unternehmens werde gelingen.

Frist zur Stellung des Insolvenzantrages: höchstens drei Wochen bei Zahlungsunfähigkeit

Die Frist zur Stellung eines Insolvenzantrages ist kurz bemessen. Grundsätzlich muss dieser bei Vorliegen unverzüglich, spätestens binnen drei Wochen gestellt werden. Bei der Überschuldung gilt eine Höchstfrist von sechs Wochen.

Es empfiehlt sich, wenn immer möglich, schon bei Stellung des Insolvenzantrages die Beratung eines insolvenzrechtlichen Anwalts in Anspruch zu nehmen.

Angaben im Rahmen des Insolvenzverfahrens?

Der Schuldner (und seine Vertreter) sind im Rahmen des Insolvenzverfahrens zur grundsätzlich zu wahrheitsgemäßen Angaben über die geschäftlichen Verhältnisse der Gesellschaft verpflichtet. Diese grundsätzliche insolvenzrechtlichen Pflicht steht im Widerstreit zur strafrechtlichen Interessenlage. Der im Ermittlungsverfahren Geschäftsführer wird in aller Regel ein Interesse daran haben, sich nicht näher zu Einzelheiten zu äußern, da insbesondere eine Selbstbelastung droht. Die Insolvenzordnung löst diesen Widerstreit über § 97 Abs. 1 S. 3 InsO. Diese Vorschrift enthält für die Angaben des Schuldners im Insolvenzverfahren ein Verwendungsverbot. Faktisch finden entsprechende Angaben über die (vorläufigen) Insolvenzgutachten, gleichwohl häufig Eingang die Ermittlungsakten. Es liegt dann an der Verteidigung, das Verwendungsverbot der Insolvenzordnung zur Geltung zu bringen.

Zentrale Punkte: Insolvenzverschleppung durch Geschäftsführer

Insolvenzverschleppung durch Geschäftsführer ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Insbesondere in der Krise des Unternehmens können die Voraussetzungen einer Strafbarkeit schnell erfüllt sein. Dies gilt gerade dann, wenn intensiv und über längere Zeit um den Fortbestand des Unternehmens gerungen wird. Scheitern diese Bemühungen letztlich, besteht stets die Gefahr, dass die Justiz im Nachhinein eine verspätete Insolvenzantragstellung bejaht wird. Die Pflichtenstellung des Geschäftsführers ist dabei grundsätzlich weit. Es lohnt daher stets, sich frühzeitig mit den Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht zu befassen, und diese gerade in der Krise des Unternehmens genau zu beobachten.