Insolvenzverschleppung und Auskunftspflicht

Auskunftspflicht vs. strafrechtliche Verwertbarkeit : Problematik und Reichweite bei der Insolvenz

Steht der Vorwurf der Insolvenzverschleppung im Raum, sieht sich der Betroffene regelmäßig in einem Zwiespalt: die Insolvenzordnung beinhaltet umfangreiche Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, welche der Schuldner im Insolvenzverfahren zu erfüllen hat.Die Erfüllung dieser Pflichten kann dabei erzwungen werden. Zugleich begründet § 15a InsO eine Strafbarkeit der verspäteten Insolvenzantragstellung. Auch darüber hinaus besteht für den Schuldner die Gefahr, bei wahrheitsgemäßer Auskunft im Insolvenzverfahren strafbare Handlungen – etwa Bankrottdelikte, §§ 283 ff. StGB – zu offenbaren. Das Gesetzt löst diesen Widerstreit in § 97 Abs. 1 S. 2 und 3 InsO dahin, dass es für Auskünfte, welche gemäß der insolvenzrechtlichen Pflichten erteilt werden, im Strafverfahren ein Verwendungsverbot annimmt.

Insolvenzrechtlichen Pflichten

§ 97 Abs. 1 S. 1 InsO lautet wie folgt:

Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen.

Die Erfüllung dieser Pflichten kann im Insolvenzverfahren erzwungen werden. Nach § 98 Abs. 1 InsO kann das Insolvenzgericht anordnen, dass der Schuldner zu Protokoll an Eides statt versichert, er habe vollständige und zutreffende Auskünfte erteilt. Bedeutung hat dies  vor allem deswegen, weil bei wahrheitswidriger Versicherung eine Strafbarkeit nach § 156 StGB droht.

§ 98 Abs. 2 InsO sieht darüber hinaus in besonders schwerwiegenden Fällen die Befugnis des Gerichts voraus, den Schuldner zwangsweise vorführen und in Haft nehmen zu lassen. Dies ist etwa dann zulässig, wenn der Schuldner Auskünfte, die eidesstattliche Versicherung und eine sonstige Mitwirkung verweigert oder er sich – etwa durch Flucht – der Erfüllung seiner Pflichten entziehen will. Insoweit finden die Vorschriften der ZPO zur Erzwingungshaft Anwendung. Dies verdeutlicht, dass die Zwangslage durchaus erheblich sein kann.

Das Verwendungsverbot nach § 97 InsO

§ 97 Abs. 1 S. 3 InsO hat folgenden Wortlaut:

Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.

Die erteilten Auskünfte werden regelmäßig im Strafverfahren wegen Insolvenzverschleppung nicht zum Nachteil des Beschuldigten verwendet werden können. Das Verwendungsverbot des § 97 InsO  gilt wohlgemerkt nicht für Unterlagen, welche der Schuldner übergeben hat. Das OLG Jena (Beschluss vom 12. 8. 2010 – 1 Ss 45/10) hat ferner beschlossen, dass Auskünfte, welche gegenüber dem Gutachter im Eröffnungsverfahren erteilt werden, nicht dem Verwendungsverbot unterliegen. Anders als etwa gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter bestehe insofern keine Mitwirkungspflicht.

Praktische Schwierigkeiten des Verwendungsverbots

In der Praxis wirft das Verwendungsverbot durchaus erhebliche Probleme auf. So finden die entsprechenden Auskünfte, sofern sie von Relevanz sind, regelmäßig Eingang in Gutachten und Berichte des Insolvenzverwalters und die Insolvenzakten. Diese liegen sodann auch der Staatsanwaltschaft vor und dienen einem beauftragten Wirtschaftsreferenten wiederum zur Erstellung seines Gutachtens. Damit wird sich vielfach nur schwer beurteilen lassen, welche Information einem Verwendungsverbot unterliegen. Rein faktisch werden die Auskünfte Eingang in das strafrechtliche Verfahren wegen Insolvenzverschleppung finden. Ist dieses Wissen einmal vorhanden, wird sich regelmäßig auch eine Möglichkeit finden lassen, die entsprechende Tatsache durch ein Beweismittel zu belegen.

Fernwirkung des § 97 InsO?

§ 97 InsO enthält jedoch ein echtes Verwendungsverbot. Es sprechen daher überzeugende Gründe dafür, diesem auch eine Fernwirkung beizumessen, so dass sämtliche Beweismittel, welche auf Auskünfte des Schuldners zurückgehen, nicht verwertbar sein dürfen. In der Berufung auf diese Fernwirkung liegt eine echte Handlungsmöglichkeit der Verteidigung.

Revisionsrechtliche Geltendmachung

Der Bundesgerichtshof hat in einer neueren Entscheidung (Beschluss vom 26.07.2017 – 3 StR 52/17) entschieden, dass ein Verstoß gegen § 97 Abs. 1 S. 3 InsO kein Verfahrenshindernis begründet. So führt der Senat im Kern Folgendes aus:

Schließlich wiegt eine Verletzung des 97 Abs. 1 Satz 3 InsO auch dann nicht so schwer, dass von ihr die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen abhängen muss, wenn das Gewicht der Verwendung selbstbelastender Angaben des Insolvenzschuldners mit den Fällen des §  136a StPO gleichzusetzen wäre, da diese Vorschrift ausdrücklich lediglich ein Verwertungsverbot vorsieht (§ 136a Abs. 3 Satz 2 StPO).

Zudem betont der Senat, dass ein entsprechender Verstoß gegen § 97 Abs. 1 S. 3 InsO mit der Verfahrensrüge geltend zu machen ist. Dies erschwert angesichts der hohen, in der Rechtsprechung teils deutlich übersteigerten Darlegungserfordernisse (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) die revisionsrechtliche Berufung auf einen solchen Verstoß ganz erheblich.

Fazit

Das Insolvenzrecht sieht strenge Auskunftspflichten des Schuldners vor. Strafprozessual soll diesen durch das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 StPO begegnet werden; wirksam kann dies jedoch nur dann geschehen, wenn das Verwendungsverbot Fernwirkung entfaltet und zu weiteren Verwertungsverboten führt. Auch die revisionsrechtliche Berufung auf Verstöße gegen diese Vorschrift sollte nicht durch überhöhte Darlegungsanforderungen vereitelt werden.