Täterschaft bei Insolvenzverschleppung

§ 15a Abs. 4 InsO normiert die Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung. Die Vorschrift stellt ein echtes Sonderdelikt dar: nur wer die besondere Tätereigenschaft aufweist, kann sich nach § 15a Abs. 4 InsO strafbar machen. Wen die Insolvenzantragspflicht im Einzelnen trifft, ist jedoch jenseits der zentralen Konstellationen nicht ohne weiteres zu übersehen. Teilweise liegt dies auch an der wenig durchsichtigen Regelungstechnik und Fassung des § 15a InsO. Teilweise sind die Anforderungen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Gegebenheiten durchaus komplex. Daher sollen im Folgenden einige Grundzüge zur Täterschaft in Bezug auf die Insolvenzverschleppung vorgestellt werden.

Insolvenzantragspflicht, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO

Das grundlegende Gebot des § 15a Abs. 1 InsO, an welches die Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung anknüpft, ist dabei durchaus klar gefasst:

Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgan […], einen Eröffnungsantrag zu stellen.

Zentral betrifft diese Insolvenzantragspflicht etwa Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstände einer AG. Tauglicher Täter ist darüber hinaus, wenn auch praktisch weniger bedeutsam, der Vorstand einer Genossenschaft.  In Bezug auf eine Gesellschaft, welche aufgelöst wird, sind grundsätzlich die Liquidatoren bzw. Abwickler zur Stellung des Insolvenzantrages verpflichtet.

§ 15a Abs. 1 S. 2 InsO – Organe der Gesellschafter

Das nachfolgende Handlungsgebot des § 15a Abs. 1 S. 2 InsO ist schon wesentlich komplizierter gefasst:

Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit

Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO insbesondere die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Partnerschaftsgesellschaft sowie die Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts. Die Insolvenzantragspflicht besteht insofern allerdings nur, soweit keiner der Gesellschafter eine natürliche Person ist. Beispielhaft kommt insofern die GmbH & Co. KG in Betracht. Die Antragspflicht trifft dann etwa den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.Eine Rückausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn eine weitere Gesellschaft zu den persönlich haftenden Gesellschaftern gehört, und diese wiederum eine natürliche Person als Gesellschafter hat. Vereinfachend lässt sich sagen, dass eine Insolvenzantragspflicht dann bestehen soll, wenn die Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft begrenzt  und der Rückgriff auf persönlich haftenden Gesellschafter nicht möglich ist. § 15 Abs. 2 InsO setzt diesen Grundgedanken fort, indem er bestimmt, dass die Vorschrift auf ineinander verschachtelte, mehrstufige Gesellschaften Anwendung finden. Die Antragspflicht soll nicht durch entsprechende gesellschaftsrechtliche Gestaltungen umgangen werden könnnen. Als Täter kommen in den beschriebenen Konstellationen die Vertretungsorgane der jeweiligen Gesellschaft in Betracht.

Führungslose Gesellschaften

§ 15 Abs. 3 InsO regelt daneben den Sonderfall einer führungslosen Gesellschaft: zur Antragstellung sind in einem solchen Fall Gesellschafter bzw. Mitglieder des Aufsichtsrats verpflichtet. Eine gleichsam organisierte Verantwortungslosigkeit soll vermieden werden. Wer die besondere Tätereigenschaft nicht aufweist, kann nach allgemeinen Regeln nur Teilnehmer einer entsprechenden Insolvenzverschleppung sein. Besondere Herausforderungen stellen sich darüber hinaus in Bezug auf ausländische Gesellschaften, welche den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in Deutschland haben. Hierauf kann jedoch an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

Faktische Verantwortlichkeiten

Wer organschaftlicher Vertreter einer juristischen Person oder sonstigen Gesellschaft ist, lässt sich regelmäßig leicht nachvollziehen. Wesentlich schwieriger, aber gleichwohl äußerst relevant, ist der Umgang mit faktischen Verantwortlichkeiten. Auch diese haben Bedeutung für die Täterschaft bei Insolvenzverschleppung.

Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung

Die Rechtsprechung bejaht seit jeher eine Insolvenzantragspflicht und damit einhergehende Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2014 − 4 StR 324/14). Auch wenn dies vor dem Hintergrund des Analogieverbotes strafrechtsdogmatisch durchaus fragwürdig ist, dies für die Praxis maßgeblich.

Wer ist faktischer Geschäftsführer?

Der präzisen Bestimmung, wer faktischer Geschäftsführer ist, kommt daher hohe Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist insofern, dass die Verantwortlichkeit eines etwa faktischen Geschäftsführers nicht die Verantwortlichkeit des bloßen Strohmannes wegen Insolvenzverschleppung beseitigt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016, 3 StR 352/16). Diesem werden seine rechtlichen Handlungsmöglichkeiten auch dann zu Last gelegt, wenn er faktisch wenig Einfluss hat. Überragende Bedeutung hat in der Praxis der faktische Geschäftsführer einer GmbH. Die faktische Organstellung ist jedoch nicht auf die GmbH begrenzt, sondern auch in Bezug auf andere Gesellschaften denkbar.

Weitreichende Antragspflichen

Die Insolvenzordnung enthält ein umfassendes System von Insolvenzantragspflichten, an welches die Strafvorschrift des Abs. 4 in Bezug auf die Insolvenzverschleppung anknüpft. Über die praktisch bedeutsamsten Konstellationen hinaus lohnt insofern ein präziser Blick auf die Verantwortlichkeit auch in strafrechtlicher Hinsicht. Nur so kann die Täterschaft bei der Insolvenzverschleppung präzise bestimmt werden. Die Antragspflichten sind dabei ebenso wie die strafrechtliche Verantwortlichkeit durchaus weitreichend.